Falsche Prioritäten
„Business as usual“ im Luxemburger Politsommerloch 2010: Der Premierminister und seine Partei dösen vor sich hin, der Immigrationsminister schiebt mal wieder Leute ab, ein EU-Abgeordneter wirbt wie ein vom Wahn gepinselter Lobbyist für genmanipulierte Lebensmittel... ein ganz normaler Sommer also. Vor dem Hintergrund der sich ausdehnenden sozialen Krise und den Problemen auf dem Arbeitsmarkt scheint es in diesen Wochen jedoch ruhig zu sein. Womöglich denkt sich der ein oder andere Politiker, dass mit dem Sommerloch wohl auch die Krise ruht.
Die Verlierer dieser sind jene, die (noch) kein Wahlrecht haben, also die Jugendlichen und die Grenzgänger. Die Ankündigung vor mehreren Monaten, das Kindergeld zu kürzen und ein neues Studienbeihilfensystem einzuführen, das den Beigeschmack einer zusätzlichen Belastung für sozial schwächer gestellte Familien und Grenzgänger mit sich bringt, wurden von den Jugendparteien, Studentenorganisationen und Gewerkschaften scharf kritisiert. Der Hochschulminister war jedoch wenig angetan von deren Einwänden und Verbesserungsvorschlägen und machte es genauso wie sein Vorgänger im Rahmen des umstrittenen „5611“: er ignorierte den Proteststurm einfach und boxte seine Sparmaßnahme unreflektiert durch.
Das Mantra „Bei jedem muss gespart werden“ ist in Krisenzeiten sicherlich nicht falsch, jedoch ist es umso mehr ärgerlich, wenn der Rotstift einerseits zwar bei Jugend und Grenzgängern angesetzt wird, andererseits an offensichtlicheren Stellen jedoch nicht. Dazu zählen symbolische und/oder anachronistische Tabufelder, wo sich CSV und LSAP noch immer nicht herantrauen: so z.B. der Unterhalt des großherzoglichen Hofes oder der Trennung von Kirche und Staat (im LSAP-Wahlprogrammgefordert). Obwohl es sich in diesen Fällen um „überschaubare Summen“ handelt, scheinen der Hof und Kirche weder Krise noch Solidarität zu kennen. Nicht einmal ein „screening“ der Ein- und Ausnahmen sowie der finanziellen Situation von Hof und Kirche hat die Regierung in Betracht gezogen. Weitaus größere Summen verschlingt auch das luxemburgische Verteidigungsbudget, beispielsweise durch den Erwerb von modernster Panzerabwehrtechnik Die vergangenen Regierungen haben das Militärbudget stets aufgestockt und tragen damit zum Florieren der europäischen Rüstungsindustrie bei. Ferner hat Luxemburg das seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts andauernde ITER-Projekt bereits mit mehreren Milliarden vorfinanziert. Auch hier denkt Forschungsminister Biltgen nicht daran, diese Gelder nachhaltiger anzulegen, so z.B. indem man Luxemburg zu einem Standort für zukunftsorientierte Forschung in Bereichen der Erneuerbaren Energien, der Umwelttechnologien oder des nachhaltigen Finanzwesens ausbauen und etablieren würde.
Die Prioritäten der Regierung, was Sparmaßnahmen betrifft, lässt tief blicken: gespart wird bei Grenzgängern und sozial schwächeren Familien mit Studenten, während bei Hof, Kirche und Rüstung alles beim alten bleibt, bzw. investiert wird. Doch eins dürfte klar sein: Die Zukunft unseres Landes liegt in den Händen und Köpfen unserer Jugend und nicht in Kernreaktoren oder der Rüstungsindustrie. Das aber scheint die aktuelle Regierung noch nicht begriffen zu haben.
Philippe Schockweiler, Sprecher – déi jonk gréng
(Dieser Artikel erschien im "Lëtzebuerger Land" in der Rubrik "Zu Gast im Land 20.August 2010)
as usual...
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